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EINE GESCHICHTE ZUM ARBEITSPLATZABBAU Â
Das Paradies: Es war einmal ein grosser, ein weltweiter Energieversorger. Alles, was mit Strom, Gas, Wasser oder Umwelttechnik zu tun hatte, das wurde gemacht. Tausende von Menschen arbeiteten im Vertrauen auf die Technik, aber auch im Vertrauen auf den Arbeitgeber: Sie hofften, dass sie immer Arbeit dort haben würden. Am Standort des Mutterlandes gab auch Menschen, deren Eltern oder gar Grosseltern schon im gleichen Unternehmen gearbeitet hatten. Was hätte also ein Leben ohne das Unternehmen sein sollen? Wie immer gab es solche und solche Mitarbeiter. Die treu ergebenen, die, so sagte man, auch ein wenig unflexibel und sehr bodenständig waren, und solche, die jung und dynamisch waren und Karriere machen wollten. Denen war es egal, wo sie das taten, sie waren wie Nomaden – immer auf dem Sprung nach der besten persönlichen Möglichkeit. Â
Eigentlich stand das Unternehmen sehr gut da. Technisch aussergewöhnlich modern und auch umweltfreundlich, gut ausgebildetete Mitarbeiter, gut gefüllte Konten, weil man sorgfältig wirtschaftete. Ja, es gab schon wirklich viele Tochterfirmen, man konnte leicht den Überblick verlieren. Was diese alles so trieben und was es da alles für viele Verträge gab, da wusste keiner mehr richtig Bescheid. Das Unternehmen war übrigens auch dafür bekannt, sich um die eigenen Mitarbeiter und deren Wohlergehen zu sorgen, darauf waren auch alle ganz stolz. Â
Der Schock: Und was gab es dann für einen Schock, als bekannt wurde, dass einige der sehr modernen Kraftwerke geschlossen werden sollten! Tausende von Arbeitsplätzen sollten abgebaut werden – was für eine Schande! Wie konnte das sein? Wie konnte es dazu kommen? Für die Oberen war es ganz klar: es wurde weltweit zuviel Strom erzeugt, der war so billig geworden, dass sich die eigene Stromerzeugung einfach nicht mehr rentierte. Das musste doch wohl allen Mitarbeitern einleuchten! Tat es aber nicht, vor allem auch deshalb, weil die treuen Mitarbeiter in den Kraftwerken wussten, dass sie zu den Unternehmen gehörten, die am effizientesten und am umweltfreundlichsten den Strom erzeugten. Sie waren empört, dass stattdessen der Strom billiger in der Welt war, der unter miesen, staubigen und schädlichen Bedingungen aus Kohle irgendwo in Russland oder Indien hergestellt wurde oder aber mit gefährlichen Atomreaktoren. Â
Nun, wenn denn schon die Bedingungen in dieser Welt nicht gerade fair waren, dann wollte mindestens die Arbeitnehmervertretung und auch das Management dafür sorgen, das die betroffenen Mitarbeiter, immerhin sollte es sich um 5000 handeln, nicht auf der Strasse landeten. Warum das Management das auch wollte? Ganz einfach. Sie wussten, dass es viele kluge Köpfe unter den 5000 gab, die sollten nicht verloren gehen. Und sie wussten auch, dass frustrierte, entlassene Mitarbeiter für den Ruf des Unternehmens nicht förderlich waren. Gleichzeitig wollten sie natürlich auch Klagen vor Gericht vermeiden, denn das war teuer! Â
Was also tun? In diesem Unternehmen hatten Mitarbeitervertreter und Unternehmensleitung eine gute Beziehung miteinander. Und so machten sie ein erstes Treffen aus, bei dem gleich auch einige sehr aktive Mitarbeiter mit innovativen Ideen dabei sein sollten. Sowohl welche die bleiben würden, als auch welche, die in diesem Abbaupool landen würden. Auch wurden eine Beratungsfirma hinzugezogen, die Erfahrungen hatte, solche unerfreulichen Prozesse in spannende neue Chancen umzuwandeln. Eile war geboten, denn die Mitarbeiter in den Kraftwerken wurden mit immer neuen Gerüchten konfrontiert. Â
Der Weg: Die Geschäftsleitung machte ganz klar, dass ein Teil der Kraftwerke geschlossen würden. Es wurde auch klar, dass nicht Entlassungen das Ziel waren, sondern die Schliessung einiger Kraftwerke und die Einsparung der nun nicht mehr rentablen Arbeitsplätze. Als erstes kam die Idee auf, doch neue Arbeitsplätze zu schaffen, indem innovative Geschäftsideen im Rahmen der Strategie des Unternehmens gesucht werden könnten. Gelingt es Mitarbeitern daraus Geschäfte zu machen, die mehr einbringen als sie Personal kosten, hat es sich schon gelohnt! Abfindungskosten, die für langjährige Mitarbeiter anfallen würden, könnten umgewidmet werden in eine Anschubfinanzierung im Falle einer guten Geschäftsidee – übrigens auch ausserhalb des Unternehmens! Alle stimmten zu. Ein Mitarbeiter brachte ein, wie viele Sorgen sich die Mitarbeiter machten, und dass alle noch hofften, es sei alles nur ein böser Traum. Daraufhin beschloss die Gruppe, in mehreren Grossveranstaltungen letztlich alle Kraftwerksmitarbeiter an jeweils einem Tag einzuladen, um sie über den Stand der Dinge zu informieren und ihnen zu vermitteln, dass sie wertvoll waren. Diese Veranstaltungen waren Roadshows der besonderen Art - sorgfältig geplant und moderiert, waren sie ein voller Erfolg. Die Menschen fühlten sich ernstgenommen. Dort wurde auch vorgestellt, was es an Angeboten für die Mitarbeiter geben sollte: -         Ein mit zwei Personen besetztes Informationsbüro, das pro Woche je einen Tag an den verschiedenen Standorten der Kraftwerke mitten in der Arbeitswelt der Betroffenen installiert würde und einerseits der persönlichen Beratung, andererseits der Information und Buchung der Angebote dienen sollte. -         Eine konzernübergreifende Jobbörse, verbunden mit einer speziellen hotline des lokalen Arbeitsamtes, welches auch regionale vakante Arbeitsstellen einspeisen würde. -         Ein Bündel an persönlichen Unterstützungsmassnahmen würde bereitstehen: in Zusammenarbeit mit dem Arbeitsamt Bewerbungstrainings, Orientierungsworkshops zur persönlichen Standortbeurteilung, Coaching, Ideenbörsen zur Existenzgründung, Existenzgründungsseminare, Ausbildungsangebote. Â
Auch für die Führungskräfte gab es spezielle Angebote: -         Ein Informationstag, an dem sich jede Führungskraft mit allen Angeboten vertraut macht, um ebenfalls unterstützend und vermittelnd tätig werden könnte. -         Kollegiale Coachingrunden: wie gehe ich persönlich mit der Situation um? (freiwillig) -         Ein mehrtägiges Training zum Thema: wie führe ich wertschätzende Abbaugespräche? Â
Übrigends: Manche Mitarbeiter sagten später, diese Gespräche wären die besten gewesen, die man je mit ihnen geführt hätte! Eigentlich schade.... Â
Der Blick zurück: Eine ganze Zeit war verstrichen. Das Unternehmen hatte sich sehr verändert. 5000 KollegInnen waren ausgeschieden. Und die Verbleibenden hatten eine ganze Weile gebraucht, bis die Geschäftsprozesse wieder so abliefen, dass es die Kunden zufrieden waren. Und doch: alle waren trotz des Bedauerns und der Trauer, auch stolz darauf, dass sie es gemeinsam geschafft hatten, wertschätzende, individuelle Lösungen für die ausscheidenen KollegInnen gefunden zu haben – Menschen, mit denen man auch danach noch in Kontakt stand. Geschäftsführung, Betriebsrat, Mitarbeiter und Führungskräfte waren sich einig, auch in Zukunft würden scharfe Einschnitte nötig werden – doch alle waren sich sicher, dass sie jetzt, gemeinsam und früh genug, angemessene Formen finden würden. Und ihnen war klar: der Geist der Ideenbörse, des kollegialen Coachings und viele andere, die sie gelernt hatten – da würde in ihrem Alltag weiterleben! |