In der Mai-Ausgabe des Harvard Business manager las ich einen Artikel über eine Forschungsstudie der Gallup Organization, die sich mit den Gewohnheiten, Hoffnungen und Plänen chinesischer Erwachsener beschäftigt. Die Studie erstreckte sich über 10 Jahre und gibt Auskunft über Veränderungen bzw. aktuelle Merkmale von Kaufverhalten, Konsumwünschen, aber auch Arbeitsethos und Arbeitsengagement der Chinesen. (Quelle: William McEwen, Xiaoguang Fang, Chuanping Zhang, Richard Burkholder: Was chinesische Konsumenten kaufen wollen. In: Harvard Business manager, Mai 2006, S. 34ff.)
Zum Beispiel ergab diese Studie einen deutlichen Trend zu dem Wunsch nach Selbstverwirklichung. Waren es 1994 nur 10% der Befragten, die ihre eigene Lebenseinstellung definierten als „Ich denke nicht an Geld oder Ruhm. Ich lebe mein Leben nach meinen eigenen Vorstellungen“ (s. Seite 38 des zitierten Artikels), so ordneten sich 2004 bereits 26% bei dieser Haltung ein.
Mich interessieren an diesen Studienergebnissen – aufgrund meiner Arbeitsfelder – natürlich vor allem die Ergebnisse, die einen Bezug zu den Themen Arbeitsmotivation aufweisen. Bedenklich erscheint, dass 88% der befragten Arbeitnehmer sich nicht für ihre Arbeit engagieren. 68% davon haben kein Interesse an ihrer Arbeit, 20% hassen sie sogar. Ein starker negativer Einfluss solcher Motivationsdefizite auf die Produktivität ist zu erwarten.
Die Gründe lassen sich ebenfalls aus den Studienergebnissen ableiten. Die Verfasser stellten fest, dass ein hoher Prozentsatz der chinesischen Arbeitnehmer nur geringe Entwicklungsmöglichkeiten und Förderung am Arbeitsplatz sieht. Lob und Anerkennung erleben nur 12%, dass die eigene Meinung etwas zählt, haben nur 20% erfahren dürfen.
Eigentlich sollte dieses Ergebnis keine Verwunderung auslösen. Bei dem Aufschwung, den die chinesische Wirtschaft in den letzten Jahren erfahren hat, war es sogar zu erwarten, dass chinesische Arbeitnehmer nicht viel anders als ihre Kolleginnen und Kollegen überall auf der Welt sehr schnell nicht mehr zufrieden sind damit, irgendeine Arbeit unter irgendwelchen Bedingungen zu erledigen, um damit Geld zu verdienen. Die Faktoren, die offensichtlich in der aufstrebenden chinesischen Gesellschaft, vor allem auch bei jungen Menschen, jetzt mehr und mehr in den Vordergrund treten, scheinen durchaus identisch mit denjenigen zu sein, die auch in westlichen Unternehmen seit langem als ausschlaggebend für Engagement, Identifikation und grundlegende Motivation für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen erkannt worden sind:
Wertschätzung, Respekt und Anerkennung zu erhalten;
die Möglichkeit den Sinn der Arbeit und von Zusammenhängen zu erkennen;
Förderung, Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten zu bekommen;
Verantwortung, Gestaltungsmöglichkeiten, Freiräume in der Arbeitsgestaltung zu finden, im echten Sinne des Wortes Mit-Arbeiter zu sein. (s. auch C. Lünborg: Die Motivations-Toolbox; www.cl-system.de, Menupunkt „Lernmaterialien“).
Eine Studie von Towers Perrin aus den Jahren 2003/2004, die sich mit „Gewinnen, Binden und Motivieren von Mitarbeitern“ beschäftigt und in der europäische Mitarbeiter und Führungskräfte (4000 davon aus Deutschland) befragt wurden, zeigt fast identische Ergebnisse in Bezug auf die genannten Faktoren. Engagement und Motivation sind nach dieser Studie bei den Europäern zwar besser als bei den Chinesen – trotzdem ist die Tatsache, dass nur knapp ein Viertel der deutschen Mitarbeiter als hoch motiviert eingestuft werden können erschreckend. Die übrigen europäischen Länder zeigen noch schlechtere Ergebnisse. (Quelle: Towers Perrin: Reconnecting wirh Employees. Gewinnen, Binden und Motivieren von Mitarbeitern als Beitrag zum Unternehmenserfolg, Deutschlandbericht des Towers Perrin Talent Reports 2004).
Wenn somit drei Viertel der deutschen Belegschaften nicht oder nur wenig engagiert und motiviert sind, bedeutet das Handlungsbedarf im Bereich Human Resources. Produktivitätsverbesserungen, höhere Wertschöpfung, Wettbewerbsfähigkeit im globalen Markt sind in hohem Maße abhängig vom Einsatzwillen, der Initiative und der Kreativität der Mitarbeiter und Führungskräfte eines Unternehmens.
Was tun Sie für die o.g. vier wesentlichen Erfolgsfaktoren bzgl. Mitarbeitermotivation?
Dr. Carola Lünborg
communication and learning system
www.cl-system.de
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